Günter Eckstein und Claudius Homolka

Meßtechnische Untersuchungen zur Beurteilung der Gewölbeschäden im Chor der Michaelskirche in Leonberg-Eltingen

Einleitung

Das Dorf Eltingen liegt 15 km westlich von Stuttgart in den Niederungen des Glemstales. Es wurde 1939 nach Leonberg eingemeindet und ist heute mit dem Stadtgebiet zusammengewachsen.

Die Ursprünge Eltingens sind alemannisch, zunächst wohl nur als Streusiedlungen im Bereich des Glemstales. Der Kernbereich des heutigen Dorfes wurde durch das Kloster Hirsau angelegt. Auf einer leicht erhöhten Geländeschwelle wurde eine Kirche errichtet und mit einer hohen Friedhofsmauer zu einer Wehranlage ausgebaut. Im 14. und 15. Jahrhundert hatte sich Eltingen beträchtlich vergrößert. Die Streusiedlungen wurden aufgegeben und die Höfe in das Dorf umgesetzt. Der Ort wurde mit einer Ettermauer umgrenzt und die Zugänge durch Tore befestigt. In der langgezogenen Hauptstraße wurden in Giebelstellung meist zweigeschossige Fachwerkhäuser aneinandergereiht. Dieses einzigartige Ensemble ist heute noch weitgehend erhalten und zeugt von dem Wohlstand der Bürger in dieser Zeit.

Das Anwachsen der Bevölkerung machte Ende des 15. Jahrhunderts den Bau einer größeren Kirche notwendig. Unter der Leitung des herzoglichen Baumeisters Peter von Koblenz wurde 1487 an der Stelle des Vorgängerbaus aus der Hirsauer Zeit mit einem Neubau begonnen. Der Chor und der Chorflankenturm wurden auf dem unbebauten Teil des Kirchhofes errichtet. Im nächsten Bauabschnitt dürfte der Vorgängerbau abgerissen und das Schiff an den Chor angesetzt worden sein. Die Arbeiten an der Kirche waren nach sieben Jahren abgeschlossen, eine für damalige Verhältnisse kurze Bauzeit, der mächtige Turm wurde fünf Jahre später fertiggestellt (Abbildung 1/ 278kB).

Während das Schiff flach gedeckt ist, besitzt der Chor ein typisches spätgotisches Netzrippengewölbe. Die Rippen beginnen ohne Konsolen in der Wand und gliedern sich bis zu den Schlußsteinen in einem regelmäßigen Raster. Die Gewölbekonstruktion ist ein zylinderförmiges Tonnengewölbe mit beidseitigen Stichkappen über jedem Joch. An der Ostseite fällt das Gewölbe ca. 50 cm vor der Ostwand steil nach unten ab. Die Aussteifung der Mauern erfolgt über Strebepfeiler, auf der Südseite eingebunden in die Sakristei, und auf der Nordseite durch den Flankenturm.

Im Sommer 1995 wurden akute Schäden im Chorgewölbe festgestellt. Die Schäden waren in erster Linie an den Gewölberippen sichtbar, da sie im Gegensatz zu der Gewölbeschale keine Elastizität besitzen und als starre Elemente reagieren. Besonders in den flachen Zonen in der Gewölbemitte und verstärkt über dem Chorpolygon hatten sich Rippenpartien von der Schale gelöst, oder es hatten sich einzelne Rippen an den Fugen verschoben Es bestand die Gefahr, daß ganze Bereiche großflächig aus dem Verband herausbrechen konnten. Der Chor mußte daraufhin abgesperrt werden, die drei östlichen Joche wurden bis zur Decke eingerüstet. Die weiteren Untersuchungen ergaben, daß die Ablösungen der Rippen von der Gewölbeschale und die Fugen zwischen den Rippen schon in früherer Zeit mehrfach zugesetzt worden waren, die Baubewegung aber nicht zum Stillstand gekommen war. Die Schadensentwicklung mußte sich nach der letzten Außen- und Innenerneuerung von 1962-65 noch beschleunigt haben. Die Gesamtverformungen im flachen Bereich des Gewölbes waren nun so weit fortgeschritten, daß einfache Reparaturen nicht mehr ausreichen konnten, um eine dauerhafte Stabilisierung zu erreichen (Abbildung 2/ 357kB).

Für eine statisch-konstruktive Sicherung mußten die Schadensursachen bekannt sein, sie konnten aber nur vermutet werden. Sicherlich spielten die Horizontalschubkräfte des Gewölbes eine Rolle. Möglich war auch, daß durch Grundwasserabsenkungen sich die Fundamente einseitig gesetzt haben konnten, und sich dadurch die Wände nach außen geneigt hatten. Weiterhin konnten durch falsch abgetragene Lasten im Dachstuhl Schäden entstanden sein.

Vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg wurde deshalb ein Konzept für eine gezielte meßtechnische Analyse ausgearbeitet, um in Verbindung mit bautechnischen und baugeschichtlichen Untersuchungen die Ursachen der Gewölbeschäden beurteilen zu können.

Bauaufnahme

Auswahl des Meßverfahrens

Sowohl für die statischen Berechnungen als auch für Ermittlung der Schadensursachen waren qualitativ und quantitativ hohe Anforderungen an die Bauaufnahme zu stellen. Das Gewölbe mit Rippen und Schale war als komplexes dreidimensionales Gebilde möglichst weitgehend meßtechnisch zu erfassen, ebenso die Chorwände, die Strebepfeiler und Teile des Daches. Im Inneren der Kirche hätte sich die Stereophotogrammetrie angeboten, die zur Aufnahme komplexer räumlicher Verhältnisse besonders geeignet ist. Da aber wegen der Einsturzgefahr das Gerüst im Chorraum nicht entfernt werden durfte, war kein ausreichendes Sichtfeld für photogrammetrische Aufnahmen vorhanden. Die Photogrammetrie schied als Meßverfahren aus diesem Grunde aus. Herkömmliche tachymetrische Aufmaße mit Reflektor waren ebenfalls ungeeignet, da das Gewölbe im nicht eingerüsteten westlichen Chorjoch und die Wände bzw. Strebepfeiler im Außenbereich nicht zugänglich waren. Das einzige Verfahren, das sowohl im eingerüsteten wie im nicht eingerüsteten Bereich des Chores eine praxistaugliche Meßanordnung versprach, war ein System mit reflektorloser Distanzmessung und Markierung des Zielpunktes durch einen sichtbaren Laser.

Festlegung der Schnittebenen

Aus Kostengründen mußte auf ein vollständiges 3D-Modell des Chorraumes der Eltinger Kirche verzichtet werden. Prinzipiell ließe sich ein räumliches Datenmodell mit punktweisen Messungen erreichen, die Zahl der erforderlichen Meßpunkte wäre jedoch sehr hoch. Der Hauptvorteil des 3D-Modells bestünde darin, daß Schnittebenen für die Verformungsanalyse erst nachträglich und nach Bedarf festgelegt werden könnten. Auch zu komplexeren Berechnungen des Tragverhaltens könnte das 3D-Modell von Vorteil sein. Da die Schwachpunkte der Gewölbekonstruktion nach den ersten vorliegenden Befunden aber bereits vermutet werden konnten, war es wirtschaftlicher, Schnittebenen schon vor der Vermessung gezielt auszuwählen und sich bei der vollständigen Ausarbeitung der Pläne auf eine 2D-Bearbeitung der Daten zu beschränken. So ließ sich der Umfang der Messungen erheblich reduzieren.

Insgesamt wurden elf Schnittebenen zur Bearbeitung festgelegt, vier Horizontal- und sieben Vertikalschnitte. Die Horizontalschnitte sollten in erster Linie bei der Überlagerung aufzeigen, in welcher Richtung und in welcher Größenordnung Bewegungen der Außenwände und der Strebepfeiler stattgefunden hatten. Als Basisplan war ein Horizontalschnitt über dem Sockel einzumessen, in dem noch keine Verformungen zu erwarten waren und der als Referenzgrundriß dienen konnte. Zusätzlich wurden in diesem Plan Höhennivellements des Außensockels numerisch eingetragen, um daraus Aufschlüsse über mögliche Setzungen im Fundamentbereich zu gewinnen. Der zweite Horizontalschnitt wurde auf Höhe der Kämpfer geführt, da in dieser Zone der Gewölbeschub in die Außenmauern eingeleitet wird und hier mit deutlich ablesbaren Verformungen zu rechnen war. In diesen Schnitt war auch ein vollständiger Gewölbespiegel aufzunehmen, um Versätze und sonstige Störungen in der Geometrie des Rippennetzes zu erfassen. Der dritte Horizontalschnitt mußte auf Höhe der Mauerkrone geführt werden, da sich hier die größten sichtbaren Schäden an den Außenwänden in Form von Radialrissen zeigten. Es war zu erwarten, daß sich die Tendenz der Wandbewegungen auf dieser Höhe am deutlichsten abzeichnen würde. In diesem Schnitt wurde auch ein Dachgrundriß mit Mauerlatten und Dachbalken erfaßt, um mögliche Schäden aus dem Dachwerk analysieren zu können. Ein ergänzender vierter Horizontalschnitt war unterhalb der Mauerkrone des Turmes erforderlich, um die besondere statische Rolle des Turmes zu klären und seine Neigungs- und Setzungstendenzen zu überprüfen. Die Führung der Vertikalschnitte wurde entsprechend der Geometrie des Gewölbes festgelegt: sechs Nord-Süd-Schnitte in allen Gewölbequerachsen und ein Ost-West-Schnitt in der Mittellängsachse mit Ansicht der südlichen Gewölbehälfte. Die Querschnitte sollten hauptsächlich Kenntnisse über die Geometrie und die Stärke der Gewölbeschale erbringen und vor allem auch den statischen Berechnungen dienen, da die Lastabtragung fast ausschließlich in Querrichtung erfolgt. Aus diesem Grund war jede Achse einzeln zu erfassen. Der Längsschnitt sollte darüber hinaus Informationen über die Bewegungen des Gewölbescheitels und der darüber liegenden Dachbalken liefern, als auch die Versätze und Verschiebungen der Gewölberippen quantitativ und qualitativ darstellen.

Aufbau des Festpunktnetzes

Begonnen wurde die Bauaufnahme mit der Anlage eines die Kirche umschließenden Ring-Polygonzugs auf der Basis eines frei gewählten lokalen Koordinatensystems. Sieben Festpunkte wurden so ausgewählt, daß Sichtverbindungen durch alle Türen in den Innenraum und durch zwei Fenster in den Dachraum gewährleistet waren. Alle Festpunkte wurden dauerhaft vermarkt. Der äußere Ring wurde durch eine Querspange im Langhaus und eine Querspange im Altarbereich sowie einen geschlossenen Zug durch das Langhausdach verdichtet. Die Vermessung der Festpunkte erfolgte auf herkömmliche Art mit elektrooptischer Distanzmessung (Tachymeter Zeiss Elta 3). Der Abschlußfehler blieb bei allen Polygonzügen unter 5 mm. Anschließend wurden die vier wesentlichen Gebäudeecken eingemessen und daraus je zwei Mittelwerte gebildet, um so die ideale Kirchenmittelachse zu gewinnen. An dieser Mittelachse wurde das gesamte System über eine Transformation ausgerichtet und so das endgültige Koordinatensystem für die Bauaufnahme festgelegt. Alle Höhen wurden auf das amtliche Höhennetz (m ü. NN) bezogen.

Obwohl das so aufgebaute Meßnetz annähernd die gesamte Kirche erschloß, konnte ausgerechnet der Kernbereich der Bauaufnahme, nämlich der Chorraum im Kircheninneren und der Dachbereich über dem Chor nicht in das System geschlossener Polygonzüge eingehängt werden. Im Kircheninneren verhinderte das Gerüst, das mit schweren Planen und zusätzlich mit Filzbahnen zugehängt war, eine Sichtverbindung zwischen Langhaus und Chor. Außerdem machten die festverglasten farbigen Chorfenster eine Verbindung nach außen unmöglich. Eine ähnliche Situation fand sich im Dach, wo wegen eines erheblichen Niveausprungs und sehr eng liegender Kehlbalken nur durch einen schmalen Spalt vom Langhausdach ins Chordach gemessen werden konnte. Eine Sichtverbindung vom Chordach nach außen konnte ebenfalls nicht hergestellt werden. Als Konsequenz aus dieser Situation ergab sich, daß die Festpunkte im Chorraum wie im Dach über jeweils zwei oder drei Zwischenpunkte abgehängt werden mußten, ohne die entsprechenden Kontrollmöglichkeiten, wie sie sich bei einem geschlossenen Polygonzug ergeben.

Weitaus größere Schwierigkeiten machte jedoch das Gerüst selbst. Es verdeckte nicht nur weite Teile des Gewölbes, sondern auch Teile der Außenwände und der Fenster. Um diese Randbereiche vom Boden aus messen zu können, mußten mehrere Festpunkte in äußerste Nähe zur Außenwand gelegt werden, um noch zwischen Gerüst und Wand nach oben peilen zu können. Hieraus ergaben sich erhebliche Probleme bei der Handhabung der Meßgeräte. Ferner stand von vorne herein fest, daß auch vom Gerüstboden aus gemessen werden mußte. Bevor Festpunkte auf dem Gerüst installiert werden konnten, waren umfangreiche Stabilisierungsmaßnahmen erforderlich.

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die sehr schlechten Sichtverbindungen im gesamten Chorbereich und im Dach ein sehr dichtes Festpunktnetz erforderten und daß nur ein geringer Teil davon in geschlossene Polygonzüge, 14 von 44 Punkten, eingebunden werden konnte. Diese Anordnung in Verbindung mit einem nicht 100 % stabilen Gerüst barg einige Risiken für die Meßgenauigkeit.

Reflektorlose Polaraufnahme

Zur reflektorlosen Distanzmessung wurde der Handdistanzmesser DISTO der Firma LEICA mit Datenausgang eingesetzt. Für die Winkelmessung stand ein elektronischer Theodolit ETh4 der Firma ZEISS zur Verfügung. Die Adaption erfolgte über eine justierbare Platte und ein Gegengewicht, wobei die Distanzmeßachse des DISTO parallel zur optischen Zielachse des Theodoliten und außerdem genau senkrecht darüber angeordnet wurde. Die Exzentrizität zwischen optischer Zielachse und Distanzmeßachse betrug 16,5 cm (Abbildung 3/ 288kB).

Im folgenden werden einige meßtechnische Besonderheiten und der Ablauf der reflektorlosen Polaraufnahme beschrieben.

Gemessen wird ausschließ1ich der Zielpunkt der Distanzmeßachse, der vom DISTO durch eine Laser-Diode rot markiert wird. Das Zielfernrohr des Theodolit wird nicht zum Anzielen verwendet. Entscheidend für die Meßgenauigkeit bei einer solchen Anordnung ist die exakt parallele Ausrichtung zwischen Ziel- und Distanzmeßachse. Dies wird durch eine Justierung der Distanzmeßachse (= sichtbarer Laserstrahl) zu Beginn jeder Meßreihe erreicht. Dazu wird eine Zieltafel auf einem Zentrierstab montiert, auf der die Exzentrizität durch zwei Kreuze markiert werden. Da Distanzmeßachse und optische Zielachse genau senkrecht übereinander angeordnet sind, liegen auch die Justierkreuze auf der Zieltafel senkrecht übereinander. (Keine zwingende Anordnung, ein seitlicher Versatz wäre auch möglich). Die Justierung selbst erfolgt durch eine optische Anpeilung des einen Kreuzes und eine anschließende Zentrierung des sichtbaren Laserstrahls auf dem anderen Kreuz.

Die Registrierung der Meßwerte und ihre Auswertung erfolgt "online" mit einem handelsüblichen tragbaren Computer (Laptop), mit dem sowohl der Theodolit als auch der DISTO über ein jeweils eigenes Datenkabel verbunden sind. Die Software übernimmt dabei die Steuerung der Meßgeräte (Auslösen der Messung und Abfragen der Meßwerte), die Verwaltung aller Daten und die Berechnung der Koordinaten. Auf diese Weise kann der gesamte Meßvorgang weitgehend automatisiert und durch einen einzigen Tastendruck in Gang gesetzt werden. Durch einen zweiten Tastendruck läßt sich ein Code hinzufügen, der den gemessenen Punkt als Anfang, Ende oder Scheitel einer Linie charakterisiert, wobei zwischen geraden Linien, Bögen und Kreisen unterschieden werden kann. Weitere Codes für Schnitt- und Zeichenebenen werden als Konstanten mitgeführt und lassen sich bei Bedarf ändern. Durch dieses Verfahren wird nicht nur ein räumliches Punktraster generiert, sondern bereits ein dreidimensionales Drahtmodell (Abbildung 4/ 16kB).

Bei der Berechnung der Koordinaten ist insbesondere die Exzentrizität zwischen Distanzmeßachse und optischer Zielachse zu berücksichtigen. Hier sind mehrere Rechenverfahren möglich. Bei diesem Verfahren wird der Vektor der optischen Zielachse rechnerisch zum Nullpunkt der Distanzmeßachse versetzt (vereinfacht ausgedrückt vom Theodolit zum DISTO), indem zum Nullpunkt der Winkelmessung ein Versatzvektor addiert wird. Da dieser Versatzvektor senkrecht auf Kipp- und Zielachse steht, ergibt sich dessen Richtung aus dem Kreuzprodukt der entsprechenden Richtungsvektoren. Die Länge des Versatzvektors entspricht der Exzentrizität (in unserem Fall 16,5 cm). Der Vorteil dieses Rechenverfahrens ist, daß auch ein seitlicher Versatz berücksichtigt werden kann.

Die reflektorlose Polaraufnahme erfolgte in Eltingen in einem unabhängigen Arbeitsgang nach dem Aufbau des Festpunktnetzes. Ausgehend vom Langhaus und dem westlichen Chorjoch wurden die weiteren Chorjoche, die Sakristei, das Turmerdgeschoß, der Außenbereich und das Dach systematisch abgearbeitet. Da das westliche Chorjoch nicht eingerüstet war, konnten hier alle Messungen von einem einzigen Standpunkt aus vorgenommen werden (1489 Einzelmessungen). Die besondere Stärke der reflektorlosen Messung mit sichtbarem Laser zeigte sich hier im Gewölbebereich senkrecht über dem Meßgerät, wo sich Steilvisuren, die sonst erhebliche Schwierigkeiten bereiten, problemlos realisieren ließen. Da ausschließlich mit dem sichtbaren Laserpunkt gemessen wurde und das Gewölbe eine Höhe von rund 10 Metern aufwies, wurde die Lage des Punktes mit einem Fernglas kontrolliert.

Die drei östlichen Chorjoche waren eingerüstet, so daß die Messungen nach Sichtfeldern fragmentiert werden mußten. Zunächst wurden die Außenwände, die Fenster und der Gewölbeansatz von wandnahen Standpunkten rings um das Gerüst steil nach oben gemessen. Anschließend wurde das Meßgerät auf den westlichen Gerüstboden versetzt und von dort die mittlere Gewölbezone aufgenommen. Dabei mußte sichergestellt werden, daß sich niemand auf dem Gerüst bewegte, da sonst die gesamte Konstruktion in Schwingung geriet. Auch bei größter Vorsicht war keine völlige Stabilität der Libellen am Theodolit zu erreichen. Der so entstehende Fehler fiel nur deshalb nicht so sehr ins Gewicht, weil die Distanzen bei den Messungen sehr klein waren.

Den größten Aufwand verursachte das östliche Gewölbejoch, da es in weiten Teilen vom Meßgerät aus nicht einsehbar war. Der Gerüstboden war sehr knapp unter dem Gewölbescheitel errichtet worden (ungefähr Kopfhöhe), so daß die im Vordergrund liegenden Gewölbequerrippen, aber auch die Gerüstkonstruktion selbst, weite Teile der benachbarten Joche verdeckten. Aus diesem Grund mußte eine große Anzahl von Punkten durch Indirektmessungen gewonnen werden. Dazu wurde ein Peilstab verwendet, der aus je 100 cm langen steckbaren Einheiten zusammengesetzt ist und alle 10 cm eine Zielmarke aufweist. Die Spitze des Peilstabes ist exzentrisch ausgebildet und liegt in exakter Verlängerung der Zielmarken. Legt man nun die Spitze an einem verdeckten Meßpunkt an und bringt das hintere Ende des Stabes in das Sichtfeld des Meßinstruments, läßt sich durch Anmessen zweier beliebiger Zielmarken der Richtungsvektor des Peilstabes gewinnen. Durch eine rechnerische Verlängerung bis zur Spitze erhält man die Koordinaten des Meßpunktes. Das Verlängerungsmaß wird als Konstante gespeichert und muß gegebenenfalls immer wieder angepaßt werden. Im Prinzip entspricht dieses Verfahren dem des Kanalmeßstabes, nur daß an dem Peilstab keine Reflektoren befestigt sind. Trifft der Laserstrahl des DISTO einigermaßen senkrecht auf den Peilstab, lassen sich sehr gute Meßgenauigkeiten erreichen (Differenz zwischen direkter und indirekter Messung desselben Punktes < 1 mm). Wichtig dabei ist, daß der Stab während des gesamten Meßvorgangs unbewegt bleibt. Auf dem Gerüst wurde der Peilstab entweder durch einen Fluchtstabhalter stabilisiert oder gegen den Gerüstboden geklemmt. Der instabile Untergrund im östlichen Gerüstbereich erforderte hierzu häufig einen erhöhten Aufwand.

Nach dem Chorgewölbe folgte die Messung des Turmsockels, der Sakristei und des Außenbereichs. Da auch außen das Prinzip der reflektorlosen Messung mit sichtbarem Laserpunkt beibehalten wurde, und da der Laser bei Tageslicht in größerer Entfernung kaum noch mit bloßem Auge zu erkennen war, mußten die Außenaufmaße in die Dämmerungs- und Abendstunden verlegt werden. Zur genauen Positionierung des bei Dunkelheit sehr hell leuchtenden Laserpunkts wurde die Kirche mit Flutlicht angestrahlt.

Im Dach bestand die Forderung, daß alle Vertikalschnitte durch die Gewölbeschale exakt in der Mittelachse der darunter liegenden Rippen geführt werden mußten. Die Koordinaten der Rippenachsen waren von den Messungen im Chorraum bekannt. Bei sechs Querschnitten a 7 Metern Breite und einer Punktdichte von ca. 5 pro Meter wären insgesamt ca. 210 Punkte abzustecken gewesen. Da die Rippenquerachsen geradlinig verliefen wurden zur Vereinfachung aber nur die Endpunkte abgesteckt und der Linienverlauf durch eine Schnur von Außenwand zu Außenwand markiert. Die Linie auf der Gewölbeschale wurde dann von der gespannten Schnur abgelotet und alle 20cm reflektorlos gemessen. Auf diese Weise konnte ein Korridor von ca. 1 cm Breite eingehalten werden.

Während der Messungen im Dach wurde ein Bohrloch durch die Gewölbeschale von 20 mm Durchmesser aufgefunden. Dieses bot die Chance, noch einmal eine meßtechnische Verbindung zum Chorraum herzustellen, um so die erzielten Genauigkeiten abschätzen zu können. Zu diesem Zweck wurde aus einem ca. 70 cm langen Holzdübel ein verkleinerter Peilstab hergestellt, indem mit einem Stift alle 10cm eine Zielmarke auf dem Dübel aufgetragen wurde. Der Holzdübel wurde so weit durch das Bohrloch geschoben, bis dessen Spitze mit der Unterseite der Gewölbeschale bündig war; dann wurde er verkeilt. Anschließend wurden zwei Zielmarken angemessen und die Koordinaten der Dübelspitze rechnerisch ermittelt. Eine direkte Messung derselben Spitze von der Gewölbeunterseite lieferte den Vergleichswert. Die Lagedifferenz betrug 11 mm, die Höhendifferenz 7 mm. Angesichts der beträchtlichen Genauigkeitsrisiken durch die nicht geschlossenen Polygonzüge und das instabile Gerüst muß dieser Wert als ausreichend angesehen werden. Eine nachträgliche Korrektur wurde nicht mehr vorgenommen.

Weiterbearbeitung und Ergänzung der Vermessungsdaten

Nach dem Abschluß der reflektorlosen Polaraufnahme erfolgte die Weiterbearbeitung und die Ergänzung der Vermessungsdaten in mehreren Arbeitsschritten. Zunächst wurden die Daten selektiert und den einzelnen Schnittebenen zugeordnet. Dies erfolgte automatisch über einen Code, der während der Vermessung mitgeführt wurde. Daten, die in mehreren Schnittebenen gebraucht wurden (z. B. die Gewölberippen in Grundriß, Längs- und Querschnitt) mußten manuell ausgewählt und blockweise an die automatisch erstellten Datensätze angehängt werden. Zur Umwandlung der 3D-Daten in ein 2D-Format wurde jeder Schnittebene eine Projektionsrichtung zugeordnet. Alle Projektionen erfolgten orthogonal zu den Achsen des Meßnetzes, so daß die Daten ohne Transformationen umgerechnet und über eine DXF-Schnittstelle ins CAD-System eingelesen werden konnten. Für jede Schnittebene erhielt man einen noch unvollständigen Rohplan, der am Bildschirm grob überarbeitet und über einen Plotter auf Papier ausgegeben wurde. Die geplotteten Zeichnungen wurden vor Ort überprüft und durch Skizzen und Handaufmaße vervollständigt. Insbesondere im Bereich der Dachtraufe waren zahlreiche Einzelheiten von der geodätischen Vermessung nicht erfaßt worden. Ebenso waren die meisten Gewölberippen und auch die geschnittenen Balken im Dach jeweils nur von einer Seite angemessen worden, so daß die dazugehörige Rückseite von Hand ergänzt werden mußte. Nach der Übertragung der Handaufmaße in das CAD-System wurden die endgültigen Zeichnungen fertiggestellt.

Bewertung des ausgewählten Meßverfahrens

Die Bauaufnahme der Michaelskirche in Eltingen ist nicht zu den Routinefällen der Bauvermessung zu rechnen. Die schlechten Sichtverhältnisse im Chorraum und im Dach sowie das instabile Gerüst waren eine Herausforderung an das meßtechnisch Machbare. Häufig wechselnde Situationen erforderten eine Anpassungsfähigkeit des Systems und Improvisation bei der Umsetzung. Hier hat sich die Meßanordnung aus Theodolit und DISTO als Aufsatzgerät gut bewährt. Seine besondere Stärke zeigte das System bei den Steilvisuren im nicht eingerüsteten Chorbereich und bei der Indirektmessung verdeckter Punkte mit dem Peilstab. Erwähnenswert ist die gute Genauigkeit, die sich mit dem DISTO als Distanzmesser erzielen läßt. Auch in quantitativer Hinsicht hat das System seine Bewährungsprobe bestanden. Von 44 Standpunkten aus wurden insgesamt 8881 Messungen vorgenommen. Der vorausgeschätzte Zeitbedarf konnte aufgrund der geschilderten Schwierigkeiten allerdings nicht eingehalten werden. Insgesamt wurden für die Bauaufnahme einschließlich der Ausarbeitung der Pläne 650 Arbeitsstunden eingesetzt.

Verformungsanalyse

Bei der Verformungsanalyse wird so weit als möglich der ursprüngliche Zustand eines Bauwerkes definiert, so daß die Verformungen aus den Differenzen zum Ist-Zustand ermittelt werden können. Es wird davon ausgegangen, daß Mauern senkrecht errichtet wurden, bestimmte Bauteile wie Sockel, Simse, Mauerkronen oder baugleiche Fenster gleiche Höhen aufwiesen und Bögen oder Gewölbe bestimmte geometrische Formen hatten. Weitere Hinweise auf Veränderungen sind Risse im Mauerwerk, Steinabplatzungen durch Kantenpressungen oder gelöste Holzverbindungen.

Der Ist-Zustand wird durch eine detaillierte und verformungsgetreue Bauaufnahme dokumentiert. Die Interpretation der Verformungen muß in Verbindung mit den entsprechenden Bauabfolgen und den nachträglichen baulichen Veränderungen erfolgen. Hierzu müssen neben den Baubeobachtungen die schriftlichen Quellen und historische Pläne und Photos ausgewertet werden.

In einer Verformungsanalyse werden neben dem Ausmaß der Verformungen Antworten auf folgende Fragen gesucht: Was sind die Ursachen der Verformungen, in welchem Zeitraum sind sie entstanden, und sind sie zum Stillstand gekommen oder nicht?

Die Analyse im Chor der Michaelkirche in Eltingen erfolgte in zwei Stufen: Zunächst wurden auf der Grundlage der Bauaufnahme die einzelnen geometrischen Abweichungen vom ursprünglichen Zustand ermittelt und danach die Ergebnisse zusammengefaßt und unter Einbeziehung aller weiteren Erkenntnisse interpretiert.

Einseitige Setzungen ließen sich am Sockel, der die Außenwände von Sakristei, Chor und Turm umgibt, an den Simsbändern im Bereich der Chorfenster und Strebepfeiler, auf der Mauerkrone des Chores und an den Lagerfugen des Turmes ermitteln. Weiterhin wurden die Höhen der Knotenpunkte der Gewölberippen miteinander verglichen. Die Werte können nicht absolut, sondern nur relativ angegeben werden. Für eine Gesamtaussage wurde der Bereich mit den geringsten Setzungen mit null definiert und davon ausgehend aus der Summe aller Beobachtungen eine Setzungstendenz abgeleitet. Das Ergebnis ist ein Setzungsdiagramm im Bereich der Grundmauern, wobei die Maßangaben nicht exakt, sondern nur als ungefähre Richtwerte interpretiert werden dürfen.

Aufgrund des größeren Gewichtes hat sich der Turm stärker gesetzt als die übrigen Bauteile. Die Südseite des Turmes mit dem Anschluß an den Chor und auch die Westseite mit dem Anschluß an das Schiff weist eine größere Fundamentfläche auf, so daß die stärkste Setzung auf der Nordostseite des Turmes aufgetreten ist. Die Setzung des Turmes hat den gesamten Chorbereich beeinflußt. Ausgehend von der südwestlichen Ecke des Chores hat sich die Ostseite des Chores um 2-3 cm, die Nordseite um 4-5 cm und die Turmnordseite bis zu 7 cm gesetzt. Weiterhin haben sich die Strebepfeileraußenseiten aufgrund der Wandneigungen um 1-2 cm stärker gesetzt als die Innenseiten der Wände.

Die Neigungen der Außen- und Innenwände wurden aus der Überlagerung der Grundrisse in unterschiedlichen Schnitthöhen ermittelt. Die Werte beziehen sich jeweils auf den Erdgeschoßgrundriß und zeigen die Neigungen auf Kämpferhöhe und auf Höhe der Mauerkrone an. Die Turmneigung wurde zusätzlich in Höhe des Glockengeschosses gemessen. Weiterhin wurden die Wandneigungen in den Längs- und Querschnitten interpretiert, da hier auch partielle Verformungen, wie Wandausbauchungen, erkannt werden können. Aus dem Mittel aller Beobachtungen wurde ein Vektorenplan gezeichnet, der die Wandneigungen jeweils in Kämpferhöhe und in Höhe der Mauerkrone aufzeigt. Der Turm wurde insgesamt beurteilt und in zwei Achsrichtungen und in drei Höhenlagen dargestellt.

Der Turm hat sich bezogen auf die Gesamthöhe um 7 cm nach Norden und um 3 cm nach Osten geneigt. Diese Neigung hat sowohl den Bereich des Chorbogens, als auch den nordöstlichen Bereich des Chores beeinflußt. Auf der Süd- und Nordseite sind die Neigungen in Kämpferhöhe aufgrund des Gewölbeschubes größer, als die Neigungen in Höhe der Mauerkrone. Die Ausbauchungen betragen bis zu 3 cm. Die Ostseite hat sich linear nach Osten geneigt, da hier aufgrund des steil abfallenden Gewölbes nur noch ein geringer horizontaler Gewölbeschub vorhanden ist. Insgesamt wird in der östlichen Chorhälfte eine radiale Neigung der Mauern nach außen festgestellt. Die größte Neigung mit bis zu 7 cm besteht im nordöstlichen Bereich. Hier überlagern sich die Einflüsse aus der Turmneigung und dem Gewölbeschub (Abbildungen 5-7/ 10-16kB).

Durch die Außenneigungen hat sich der Mauerumfang in Gewölbehöhe und in Höhe der Mauerkrone vergrößert. Das hat zu Rissen über den Fensterscheiteln und auf der Mauerkrone im Bereich des Chorpolygons geführt. Die durchgehenden Risse auf der Mauerkrone sind bis zu 2 cm stark. Zusammen zeigen sie eine Ausweitung von ca. 6 cm an, wobei berücksichtigt werden muß, daß das Mauerwerk bis zu einem gewissen Grad Veränderungen kompensiert. Weiterhin haben sich die Gewölbeschalen auf der Ost- und der Nordostseite bis zu 2 cm von den Wänden abgelöst.

Die Schäden im Gewölbe sind differenziert zu beurteilen. Die Gewölbeschale weist nur zwei markante Risse auf, ansonsten sind nur Schwund- oder Haarrisse feststellbar. Die Ablösungen der Gewölberippen sind ausschließ1ich in der Osthälfte des Chores nach der radialen Aufweitung und der damit verbundenen Setzung des Gewölbes entstanden. Gegenüber der Westseite hat sich die Gewölbemitte im Osten um 5-7 cm gesenkt).

Im Gegensatz zu den hochgotischen Kreuzrippengewölben haben die Rippen der Netzgewölbe nur noch bedingte Fähigkeiten zur Lastabtragung, da sie nicht durchlaufend angeordnet, sondern durch diagonale Rippen unterbrochen sind. Die Gewölbeschale trägt sich somit selbst, wogegen die Rippen schon bei geringen Verformungen instabil werden. Hinzu kommt, daß der Kräfteverlauf bei der zylinderförmigen Tonne ungünstiger ist als bei spitzbogigen Formen. Bei der radialen Aufweitung haben sich somit die Fugen zwischen den Rippen vergrößert, und sie haben sich sowohl von der Gewölbeschale als auch untereinander nach unten verschoben. Die Gewölbeschale hat sich dagegen weitgehend ohne Schaden den Verformungen angepaßt, sie hat sich lediglich abgesenkt (Abbildungen 5-7).

In einer weiteren Untersuchung mußte festgestellt werden, ob die Verformungen auf Konstruktionsmängel oder Schäden aus dem Dachwerk zurückzuführen waren. Die Bau- und Schadensbefunde wurden auf der Grundlage des Dachstuhlgrundrisses analysiert. Die Grundkonstruktion des Dachwerkes über dem Chor ist noch weitgehend original, lediglich einige Aussteifungshölzer sind nachträgliche Einbauten. Auch die Mauerlatten, auf denen die Deckenbalken aufliegen und durch einen Kamm gesichert sind, sind noch original. Sie bilden einen Ringverband, der lediglich auf der Nordseite neben dem Turm aufgrund von Wasserschäden unterbrochen ist. Hier sind auch die Deckenbalken beschädigt, sie wurden nachträglich mit U-Eisen verstärkt. Weitere Veränderungen in der Holzkonstruktion mußten am Anschluß zum Turm durchgeführt werden. Schubkräfte aus dem Dachwerk konnten vor dem Beheben der Schäden eine Rolle gespielt haben.

Die Balkenlage im Chorpolygon, und hier insbesondere die Stichbalken, haben keine Schäden und auch keine offenen Verbindungen. Der Dachstuhl hat hier keinen Horizontalschub auf das Mauerwerk bewirkt. Er hat im Gegenteil durch seine Auflast die Bewegung des Mauerwerkes eher zurückgehalten, erkennbar daran, da8 sich die Mauerlatten im nordöstlichen Chorpolygon um 10 cm nach innen verschoben haben (Abbildung 8/ 14kB).

Nach der Zusammenfassung der Einzeluntersuchungen ergibt sich folgende Schadensentwicklung: Die Setzungen, ausgelöst durch das größere Gewicht des Turmes, sind gleichmäßig verlaufen; sie haben eine Gesamtneigung von Turm und Chor nach Norden und nach Osten verursacht. Durch den Gewölbeschub in Nordsüdrichtung wurde das Mauerwerk nach außen geneigt und in Kämpferhöhe nach außen ausgebaucht. Der Bereich zwischen Turm und Sakristei hat sich dabei als Widerlager gezeigt, die Verformungen östlich davon sind weitaus größer. Die Ostseite hat sich linear nach Osten geneigt. Die Neigungsursachen, einseitige Setzungen und Gewölbeschub, haben sich überlagert, die stärksten Neigungen weist der Chor auf der Nordostseite auf. Durch die radiale Aufweitung haben sich Risse über den Fenstern und auf der Mauerkrone gebildet. Das Gewölbe hat sich verschoben und in der Mitte gesenkt. Aufgrund der flachen Gewölbekonstruktion und der ungünstigen Lastabtragung durch die diagonalen Gewölberippen haben nur geringe Veränderungen genügt, um den labilen Zustand hervorzurufen.

Aus der durchgesehenen Literatur und aus den Bauakten konnten keine Angaben über frühere Gewölbeschäden entnommen werden. Insbesondere waren bei der letzten Sanierung von 1962-1964 keine Reparaturen im Gewölbe erforderlich, oder sie waren so unbedeutend, daß sie nicht erwähnt wurden.

Die Gewölbeschäden sind aber schon aus früherer Zeit nachweisbar. Die restauratorischen Untersuchungen zeigen, daß erste Verformungen schon aus der Bauzeit stammen, erste Ausbesserungen konnten unter der ersten Farbfassung nachgewiesen werden. Bei jeder neuen Fassung wurden Rippenablösungen von der Gewölbeschale angeböscht und offene Fugen geschlossen.

Offensichtlich haben sich die Schäden in den letzten 30 Jahren verstärkt. Dies ist auch aufgrund der neuen Risse über den Fenstern nach der Renovierung von 1964 innen und 1978 außen nachweisbar.

Sicherungsmaßnahmen

Die meßtechnischen Untersuchungen machten deutlich, daß die Verformungen im Gewölbebereich schon so weit fortgeschritten waren, daß einfache Reparaturen nicht mehr ausreichten, um auf Dauer einen stabilen Zustand zu erreichen. Da nicht ausgeschlossen werden konnte, daß weitere Schadensursachen mit der Fundamentsituation und dem Baugrund zusammenhängen können, wurde ein geotechnisches Gutachten in Auftrag gegeben. Untersucht wurden die Gründung der Strebepfeiler mit vier Schürfgruben und die Baugrund- und Grundwasserverhältnisse mit drei Kernbohrungen. Es zeigte sich, daß der unter der Gründungssohle anstehende Baugrund, Dolomite und Schlufftonsteinbänke des Lettenkeupers, als gut tragfähig einzustufen ist, die Fundamente im Bereich der Strebepfeiler dagegen einen schlechten Zustand aufweisen. Sie konnten die Setzungen und Verkantungen der Pfeiler infolge des Gewölbeschubes nicht aufhalten. Weiterhin ist die Gefahr eines Grundbruches nicht mehr auszuschließen.

Somit stellte sich die Frage, ob die Sicherungsmaßnahmen primär im Bereich der Gewölbe oder in den Fundamenten durchzuführen seien. Fest stand, daß die Verformungen nicht rückgängig gemacht werden können, daß aber der vorhandene Zustand stabilisiert werden soll. Mehrere Vorschläge wurden diskutiert: Ertüchtigung des ursprünglichen statischen Gefüges durch Verstärken der Fundamente und der aufgehenden Strebepfeiler und zusätzliche Aufmauerungen im Bereich der Sakristei oder Herstellung eines Ringankers und eines Spannbogens aus Traßzement auf der Oberseite des Gewölbes und Verankerung mit dem Mauerwerk und der Gewölbeschale mit Spreizdübel.

Nach sorgfältigen Berechnungen und Überlegungen wurde eine dritte Variante gewählt, die beide Anforderungen berücksichtigt und auch den Forderungen der Denkmalpflege nach minimalen Eingriffen in die Bausubstanz bei gleichzeitiger ausreichender Sicherung gerecht wird. Die statische Sanierung soll nun in drei Abschnitten erfolgen: Sicherung des Mauerwerkes in Gewölbehöhe durch mittige Längsbohrungen über den Fenstern und Einbringen von Zugankern aus Stahl sowie Einbau von zwei Stahlträgern über dem Gewölbe mit Verbindungen aus schrägen Zugankern zu den Gewölbekämpfern. Durch diese Maßnahmen soll der horizontale Gewölbeschub in Querrichtung sowie das weitere Ausweichen des Mauerwerkes nach Osten verhindert werden (Abbildung 9/ 10kB). Durch das Beseitigen der primären Schadensursache können die Eingriffe in den Untergrund im zweiten Abschnitt reduziert werden, es brauchen nur noch zwei Strebepfeiler, die eine sehr schlechte Packlage aufweisen, gesichert werden. Hierzu werden acht Meter lange Betonpfähle in den harten Tonstein eingebracht und die Lasten über Stahlbetonkränze um die Fundamente in den Untergrund eingeleitet. Im letzten Abschnitt müssen noch die Gewölberippen kraftschlüssig miteinander verbunden werden. Auf ein Hochdrücken der abgesenkten Teile soll verzichtet werden, dagegen müssen in der sehr flach gekrümmten Scheitelzone einzelne Knotensteine hochgehängt werden. Mit den Bauarbeiten soll im Frühjahr 1997 begonnen werden.