Claudius Homolka

Die Bauaufnahme der Kanzel von St. Leonhard in Schwäbisch Gmünd mit einem abbildenden Laserscanner

Einleitung

Im Rahmen der Bearbeitung des Kunstdenkmälerinventars von Schwäbisch Gmünd durch das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg waren unter anderem Bauaufnahmen der wichtigsten Baudenkmäler auf der Gemarkung der Stadt Schwäbisch Gmünd anzufertigen. Je nach Aufgabenstellung kamen unterschiedliche Aufnahmeverfahren zum Einsatz. Fassadenpläne wurden in der Regel photogrammetrisch erarbeitet, Grundrisse und Schnitte wurden meist durch geodätische Einzelpunktmessungen und ergänzende Handaufmaße erfaßt. In einigen Fällen, insbesondere in kleinen Räumen, wurden Einstechmessungen mit Hilfe eines Rotationslasers durchgeführt. Zum Aufnehmen der wichtigsten Architekturkanten ließen sich Einzelpunktmessungen schnell und mit guter Genauigkeit einsetzen. Wenn es aber um das Vermessen von komplexen räumlichen Gebilden mit starker Gliederung und Ornamentierung ging, kam man mit diesem Meßverfahren gelegentlich an die Grenzen der Wirtschaftlichkeit. Dies zeigte sich unter anderem bei der Bauaufnahme der barocken Kanzel der Leonhardskirche.

Die Leonhardskirche wurde im 14. Jahrhundert östlich der Stadtmauer an der Handelsstraße nach Nördlingen errichtet. (Erste urkundliche Erwähnung 1345)1. An ein einschiffiges Langhaus (18 m lang, 11 m breit) schließt sich ein eingezogener, polygonal geschlossener Chor an (10 m lang, 8 m breit). 1775 - 1779 wurde der Innenraum durch Johann Michael Keller barockisiert2. Die Wände erhielten eine Gliederung durch Stuckpilaster, die ehemaligen Fenstermaßwerke wurden durch stichbogige Fensterstürze ersetzt. Die flachen Decken wurden an den Außenseiten durch Stuckschalen, in die jochmittig Stichkappen einschneiden, auf Kämpferhöhe herabgezogen und zu einem Spiegelgewölbe ausgebildet. Im Rahmen dieser Barockisierung wurde auch ein Teil der Ausstattung erneuert. Für 1777 ist der Einbau der Kanzel an der Nordmauer des Langhauses durch Handwerkerabrechnungen belegt. Zahlungen für die Kanzel gingen an die Schreiner Felderer, Mohr und Beck sowie an den Stukkateur Laurentin Hieber aus Neresheim3.

Zur Kanzel gehören ein Kanzelkorb mit seitlicher Treppenerschließung und ein Schalldeckel. Beide Teile sind an der Nordmauer befestigt und haben eine Gesamthöhe von ca. 5,50 m (Ansatz der Konsole ca. 2 m über dem Boden). Die Holzkonstruktion ist stucküberzogen und weiß mit Goldumrandungen gefaßt. Der Kanzelkorb hat eine relativ kleine Konsole mit Eckvoluten, auf der ein breit ausladender Wulst aufsitzt. Er trägt die Kanzelbrüstung, die von Akanthusvoluten gerahmt wird, sowie zwei vollplastische Puttenköpfe vor dem mittleren Feld. Der Schalldeckel ist zweischalig aufgebaut. Auf einer weit auskragenden, ca. 30 cm hohen Grundplatte ruht zurückgesetzt eine zweite, ca. 15 cm hohe Platte, die eine Haube aus konvexen Wangen trägt. Die Haube wird von vier Spangenvoluten überspannt, die sich oben vereinigen und eine kleine Konsole tragen. Auf ihr präsentieren zwei Putten die Gesetzestafeln. In die Untersicht des Schalldeckels ist eine Taube mit Strahlenkranz eingelassen (Abb. 1/ 63 kB).

In den Bauaufnahmen der Leonhardskirche war die Kanzel zweimal darzustellen: als Vorderansicht im Längsschnitt und als Seitenansicht im Querschnitt. Für eine hinreichende Darstellungsgenauigkeit wäre bei Einzelpunktmessungen eine sehr hohe Anzahl von Meßpunkten erforderlich gewesen, was einen erheblichen Arbeitsaufwand verursacht hätte. Es bot sich deshalb an, ein alternatives Aufnahmeverfahren zu suchen. Prinzipiell wäre eine stereophotogrammetrische Aufnahme in Frage gekommen, allerdings stand eine entsprechende Ausrüstung nicht zur Verfügung. Zeitgleich mit der Bauaufnahme der Leonhardskirche erprobte das Institut für Navigation der Universität Stuttgart an den Portalen des Heiligkreuzmünsters in Schwäbisch Gmünd ein neues Aufnahmeverfahren. Dabei handelte es sich um Messungen mit einem abbildenden Laserscanner, der am Institut für Navigation entwickelt worden war. Die Aufnahmen erfolgten im Rahmen eines Pilotprojekts, das mit Mitteln des Bundesministeriums für Forschung und Technologie gefördert wurde. Die Mitarbeiter des Instituts konnten dazu gewonnen werden, den Laserscanner versuchsweise auch zur Aufnahme der Kanzel der Leonhardskirche einzusetzen. Der Versuchsablauf und die Versuchsergebnisse werden im folgenden dargestellt.

Abbildender Laserscanner

Der abbildende Laserscanner, der am Institut für Navigation entwickelt wurde, ähnelt rein äußerlich einem Diaprojektor, bei dem anstelle des projizierten Lichts ein sichtbarer Laserstrahl austritt (Abb. 2/ 46 kB). Im Prinzip besteht der Scanner aus vier Grundbausteinen: einer Laserdiode, die den Laserstrahl aussendet, einer Ablenkeinheit, die die Richtung des Laserstrahls bestimmt, einer Photodiode, die die Signale empfängt und einem Computer, der die Bauteile steuert und die Meßergebnisse auswertet (Abb. 3/ 41 kB). Mit diesen Grundbausteinen lassen sich pro Einzelmessung drei Meßwerte erfassen: die Entfernung zwischen Meßgerät und Meßpunkt, die Richtung des Meßstrahls und die Intensität des reflektierten Laserlichts (entspricht etwa dem Grauwert bei einer Schwarzweiß-Fotografie). Zur Entfernungsmessung wird das sogenannte Phasendifferenzmeßprinzip angewandt. Der rote Laserstrahl, der mit einer festen Wellenlänge von 670 nm ausgesandt wird, wird zusätzlich über den Laserdiodenstrom intensitätsmoduliert, und zwar gleichzeitig mit zwei Frequenzen (10 MHz und 314 MHz). Die Laufzeit des Laserlichts von der aussendenden Laserdiode zum Objekt und wieder zurück zur empfangenden Photodiode läßt sich aus der Phasenverschiebung zwischen Sendesignal und empfangenem Streulicht proportional ablesen und in einen Entfernungswert umrechnen. Die niedrigere Frequenz von 10 MHz dient dabei der absoluten Entfernungsmessung und hat eine Reichweite von ca. 15 m. Das höhere 314 MHz-Signal dient der Feinabstimmung und hat eine maximale Genauigkeit von 0,1 mm, abhängig vom Reflektionsgrad der abgetasteten Oberfläche. Die Richtung des Meßstrahls wird über eine Ablenkeinheit geregelt. Sie besteht aus einem drehbaren Spiegel für die horizontale und einem zweiten Spiegel für die vertikale Strahlablenkung. Beide Spiegel werden von kleinen Motoren bewegt, sogenannten Galvanometerantrieben. Sie erlauben eine präzise Steuerung der Ablenkwinkel und damit der Richtung des Laserstrahls. Aus den drei Meßwerten Horizontalwinkel, Vertikalwinkel und Entfernung lassen sich nach den in der Geodäsie üblichen Verfahren die kartesischen Koordinaten (x, y, z) berechnen. Zusätzlich zur Phasenverschiebung mißt das Gerät auch noch die Amplitude des empfangenen Lichts und damit die Intensität des reflektierten Laserstrahls. Dieser Wert erlaubt Rückschlüsse auf das Reflektionsvermögen der gemessenen Oberfläche und läßt sich als Grauwert zusammen mit den kartesischen Koordinaten abspeichern.

Die Meßvorgänge des Laserscanners werden vom Computer aus gesteuert. Wahlweise lassen sich einzelne Punkte am Objekt mit der Maus anfahren und messen, oder es lassen sich ganze Bereiche definieren, die dann zeilenweise abgetastet werden. Bei der Geräteausführung, die in der Leonhardskirche zum Einsatz kam, waren die Bereiche auf quadratische Fenster von maximal 30 Grad Öffnungswinkel beschränkt. Ebenfalls einstellbar ist die Auflösung des Abtastvorgangs in Winkelschritte. Standardmäßig kann zwischen 200 mal 200 oder 400 mal 400 Meßpunkten gewählt werden. Die Abtastzeit für 200 mal 200 Meßpunkte beträgt ca. 80 Sekunden, das entspricht einer Meßrate von 500 Messungen pro Sekunde4.

Messung der Kanzel in der Leonhardskirche

Die Kanzel in der Leonhardskirche wurde von zwei Standpunkten aus abgescannt: frontal von vorne und diagonal von vorne links. Dazu wurde der Scanner auf einem Tisch etwa einen Meter über dem Boden in ca. fünf Meter Abstand vor der Kanzel aufgestellt. Die Standpunkte wurden frei gewählt und waren nicht eingemessen. Kanzelkorb und Schalldeckel wurden von jedem Standpunkt aus getrennt aufgenommen, so daß insgesamt vier Meßbilder entstanden. Vor jedem Meßvorgang wurden die linke untere und die rechte obere Ecke des Meßfensters durch den mausgesteuerten Laserstrahl markiert. Die Rasterung wurde einheitlich auf 200 mal 200 Meßpunkte eingestellt. Bedingt durch konstante Winkelschritte von jeweils ca. 0,15 Grad und eine nach oben zunehmende Entfernung verbreiterte sich das Meßfenster von 2,5 m Breite unten auf 4,2 m Breite am oberen Rand. Dies entspricht einem Punktabstand am Objekt von 1,25 cm unten bzw. 2,1 cm oben, d.h. die Auflösung nahm nach oben hin ab. Während des Meßvorgangs bewegte sich der Laserstrahl zeilenweise von oben links nach unten rechts. Parallel zum Meßvorgang wurde auf dem Bildschirm des angeschlossenen Computers ein Intensitätsbild aufgetragen (Abb. 4/ 168 kB). Bei dieser Darstellungsweise wird nur die Amplitude des reflektierten Laserstrahls in einen Grauwert übersetzt und analog zur Messung zeilenweise abgebildet. Das Ergebnis entspricht in etwa einem Foto. Die ebenfalls gemessene Entfernung, aus der sich zusammen mit dem Ablenkwinkel die räumliche Lage des Meßpunktes bestimmen läßt, blieb bei dieser ersten Darstellung auf dem Bildschirm unberücksichtigt. Die entsprechenden Meßwerte wurden jedoch im Hintergrund abgespeichert. Nach Abschluß des Meßvorgangs standen die Daten zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung. Durch die Kombination von Grauwert und räumlicher Koordinate ließen sich die einzelnen Meßpunkte als Grauwertbildpunkte (Pixel) in ein maßstäbliches dreidimensionales Datenmodell überführen. Nun war eine Darstellung der Bildpunkte in beliebigen Projektionen und Ansichten möglich. Als Beispiel zeigt Abbildung 5 (34 kB) eine Parallelprojektion des Kanzelkorbs diagonal nach oben links. Auffällig ist dabei der weiße Bereich über der Kanzelbrüstung. Es handelt sich hierbei um einen verschatteten Teil der Rückwand, der von der weiter vorne liegenden Brüstung verdeckt und vom Laserstrahl nicht erfaßt werden konnte. In der Mitte des weißen Bereichs sind einzelne, etwa linear angeordnete schwarze Punkte zu erkennen. Es handelt sich um Fehlmessungen, die immer dann entstehen, wenn der Laser eine Kante überstreicht und dabei geteilt wird. In diesem Fall wird ein Teil des Lichtes von der vorne liegenden Kante (hier der Kanzelbrüstung), ein anderer Teil von der weiter hinten liegenden Fläche (hier der Rückwand) reflektiert. Die Photodiode empfängt zwei verschiedene Phasenverschiebungen gleichzeitig, und das System bildet zur Entfernungsbestimmung einen Mittelwert. Dabei entstehen Phantompunkte, die am Objekt so nicht vorhanden sind.

Entscheidend für die Bauaufnahme waren jedoch nicht die beliebig möglichen räumlichen Projektionen des Datenmodells sondern ausschließlich die durch das vorhandene Meßnetz festgelegten Projektionsrichtungen für Längsschnitt und Querschnitt. Da an der Kanzel bereits Paßpunkte mit den Koordinaten des Meßnetzes vorhanden waren, wäre es prinzipiell möglich gewesen, die Scanner-Aufnahmen bereits vor dem Meßvorgang in dieses System einzuhängen. Die Software des Laser-Scanners war jedoch nur für ein gerätebezogenes lokales Koordinatensystem ausgelegt. Daher erfolgte die Anbindung an das übergeordnete Meßnetz erst nachträglich über eine Transformation. Abbildung 6 (149 kB) zeigt die unverzerrten Orthoprojektionen mit den Projektionsrichtungen der Bauaufnahme. Auch hier sind wieder die weißen Schattenbereiche auffällig, die von einzelnen schwarzen Punkten durchsetzt sind. Ferner läßt sich erkennen, daß die Punktdichte nach oben abnimmt. Mit diesen Projektionen lag zwar noch keine perfekte Bauaufnahme vor, aber sie bildeten aufgrund ihrer sehr guten Meßgenauigkeit eine komfortable Grundlage für die weitere zeichnerische Bearbeitung. Insbesondere die komplexe Geometrie von Kanzelkorb und Aufbau des Schalldeckels ließen sich direkt aus den Scanner-Projektionen abnehmen. Nicht erkennbare Details und die verschatteten Bereiche auf dem Schalldeckel wurden durch Handaufnahmen ergänzt. Abbildung 7 (20 kB) zeigt die fertigen CAD-Zeichnungen.

Bewertung und Ausblick

Die versuchsweisen Messungen an der Kanzel der Leonhardskirche in Schwäbisch Gmünd zeigen bereits in beeindruckender Weise die Möglichkeiten auf, die ein abbildender Laserscanner für Bestandsaufnahmen in der Denkmalpflege bieten kann. Die Schnelligkeit der Messung und die Genauigkeit der Meßergebnisse übertreffen die Möglichkeiten eines herkömmlichen Aufmaßes bei weitem. Dieses Urteil wird auch nicht dadurch geschmälert, daß noch nicht alle Funktionen des Scanners für den praktischen Einsatz optimiert und ausgereift waren. Schon jetzt zeigen sie deutlich die Entwicklung auf, die im Bereich der Bauaufnahme mittelfristig zu erwarten ist. Im folgenden seien noch einige Anforderungen genannt, die aus Sicht eines Bauaufnehmers an die Weiterentwicklung des Systems zu stellen wären:

Ebenfalls technisch denkbar, wenn auch nicht vorrangig zu realisieren, wäre eine Farbfähigkeit des Laserscanners durch den Einsatz von Laserdioden mit verschiedenen Wellenlängen.

Insgesamt läßt sich feststellen, daß die Entwicklung von abbildenden Laserscannern zwar noch am Anfang steht, ein schneller Fortschritt jedoch absehbar ist. Eine Firma im Allgäu hat vor kurzem ein Gerät vorgestellt, mit dem sich die enorme Menge von 625.000 Punkten pro Sekunde messen und verarbeiten läßt5. Eine Firma aus Sachsen-Anhalt hat die automatische Erkennung von Flächen und die Berechnung von Kanten zur Marktreife entwickelt6. Die Richtung der weiteren Entwicklung ist also deutlich erkennbar: abbildende Laserscanner, die sich derzeit noch im Stadium des experimentellen Einsatzes befinden, werden künftig zu einem Standardwerkzeug der Bauaufname werden. Das manuelle Arbeiten wird auch in diesem Bereich zunehmend von automatischen Systemen ersetzt werden.

Danksagung:

Mein besonderer Dank gilt den Mitarbeitern des Instituts für Navigation der Universität Stuttgart für ihre Bereitschaft, diesen Meßversuch durchzuführen. Herrn Thomas Kleiner und Herrn Martin Thomas danke ich für den Versuchsaufbau vor Ort und für die nachfolgende Aufbereitung der Daten. Herrn Aloysius Wehr danke ich für die Bereitstellung von Unterlagen und Bildmaterial und für seine fachliche Beratung. Ferner danke ich Herrn Richard Strobel für Literaturhinweise und die Überlassung seines Inventar-Manuskriptes. Nicht zuletzt möchte ich der Mesnerin der Leonhardskirche, Frau Herzog, für ihre stetige Hilfsbereitschaft während der Aufmaßarbeiten Dank sagen.