Claudius Homolka

Wirtschaftlichkeit und Genauigkeit von Vorwärtseinschnitten bei Bauaufnahmen am Beispiel der Amtsfronfeste in Oschatz

1. Einleitung

Für das verformungsgerechte Bauaufmaß stehen zahlreiche Meßverfahren zur Verfügung. Dabei ist es Ziel jeder Messung, die räumliche Lage eines zu messenden Punktes mit möglichst geringem Kostenaufwand genau zu definieren. Bei allen Verfahren wird zu diesem Zweck ein räumliches Bezugssystem in Form eines Meßnetzes oder eines Koordinatensystems verwendet. Zu den gebräuchlichsten Meßmethoden gehören das Einstechverfahren, die Polarmessung, die Bestimmung von Durchstoßpunkten und der Vorwärtseinschnitt.

Das Einstechverfahren wird am häufigsten eingesetzt, da es sich ohne größere technische Vorkenntnisse und mit relativ geringem Geräteaufwand anwenden läßt. Dazu wird das zu messende Gebäude mit einem System von vertikalen und horizontalen Bezugsebenen durchzogen, deren Lage genau bestimmt ist. Die Bezugsebenen werden sowohl vor Ort an ihren Schnitt- und Fluchtpunkten markiert als auch im Plan maßstäblich aufgetragen. Da die Ebenen im Plan als Linien dargestellt werden, spricht man auch von Achsen, obwohl es sich tatsächlich nicht um eindimensionale Bezugsgeraden handelt. Die Lage eines Meßpunktes ergibt sich aus dem Abstand des Punktes zu den jeweiligen Bezugsebenen, man "sticht" mit dem Meterstab von dem Punkt aus rechtwinklig in die Ebene ein und gewinnt so das Abstandsmaß. Zur vollständigen Lagebestimmung muß der Abstand zu den Bezugsebenen in jeder Dimension einzeln gemessen werden, sodaß insgesamt drei Messungen erforderlich sind. Das Einstechverfahren ist vor allem bei beengten räumlichen Verhältnissen gut geeignet und setzt die Zugänglichkeit der zu messenden Punkte voraus.

Die Polarmessung ist ein geodätisches Meßverfahren, daß wegen seiner Schnelligkeit und Genauigkeit auch bei Bauaufnahmen zunehmend zur Anwendung kommt. Über das zu messende Gebäude wird ein Koordinatensystem gelegt, auf Bezugsebenen oder Achsen wie beim Einstechverfahren kann verzichtet werden. Stattdessen werden die Koordinaten zentraler Standorte bestimmt, von denen aus die gewünschten Meßpunkte eingesehen werden können. Durch die Messung von Winkeln und Strecken lassen sich die Koordinaten der Meßpunkte bestimmen. Die Winkelmessung erfolgt mit Hilfe eines Theodolits, die Streckenmessung kann entweder manuell oder mit Hilfe eines elektro-optischen Distanzmeßgerätes erfolgen. Bei Verwendung eines modernen Computer-Tachymeters lassen sich die Koordinaten unmittelbar nach der Messung anzeigen und verwerten. Die Polarmessung setzt die Zugänglichkeit der zu messenden Punkte voraus, da ein Reflektor angehalten werden muß.

Ein besonders wirtschaftliches Verfahren, dessen Anwendungsmöglichkeiten allerdings begrenzt sind, ist die Bestimmung von Durchstoßpunkten auf ebenen Flächen. Dieses Verfahren kann immer dann eingesetzt werden, wenn eine in sich nicht verwundene, ebene Fläche in ihrer Gliederung aufgenommen werden soll. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Fläche vertikal, horizontal oder geneigt ist. Zunächst müssen drei Punkte auf der Fläche durch eines der anderen genannten Verfahren in ihrer räumlichen Position gemessen werden, um so die Fläche zu definieren. Anschließend genügt es, von einem einzigen Standort aus die gewünschten Meßpunkte mit einem Theodolit anzuzielen und über die Winkel die Durchstoßpunkte auf der Fläche zu bestimmen. Eine Entfernungsmessung ist nicht notwendig. Typische Beispiele für eine solche Anwendung sind Fugenbilder von Quadermauerwerk, Wandmalereien oder Fachwerkgliederungen. Neben seiner Schnelligkeit hat dieses Verfahren auch den Vorteil, daß die zu messenden Punkte nicht zugänglich sein müssen. Es genügt, wenn sie von einem Standort aus eingesehen werden können.

Das vierte Meßverfahren, das hier ausführlicher vorgestellt werden soll, ist der räumliche Vorwärtseinschnitt. Es handelt sich hierbei um ein Standardmessverfahren der Geodäsie, das jedoch im Bereich von Bauaufnahmen eher selten zur Anwendung kommt, obwohl es im Hinblick auf Genauigkeit und Schnelligkeit einige unbestreitbare Vorteile aufzuweisen hat. Zwei Gründe mögen zur zögerlichen Einführung des Vorwärtseinschnitts im Bereich der Bauaufnahme beigetragen haben. Zum einen sind die auf dem Markt erhältlichen Vermessungsprogramme, bei denen der Vorwärtseinschnitt in der Regel nur ein Leistungsmerkmal unter mehreren ist, relativ teuer. Zum zweiten sind die meisten Programme auf die Bedürfnisse des Vermessungswesens abgestimmt und für die Anwendung bei Bauaufnahmen nur unzureichend angepaßt.

Wann und unter welchen Bedingungen der Vorwärtseinschnitt sinnvoll und wirtschaftlich eingesetzt werden kann und welche Genauigkeiten dabei zu erwarten sind, soll im folgenden am Beispiel der Amtsfronfeste in Oschatz erörtert werden.

2. Das Meßverfahren

Das Prinzip des Vorwärtseinschnittes beruht darauf, daß zwischen einem zu messenden Punkt und zwei in ihrer Lage bekannten Beobachtungsstandorten ein räumliches Dreieck gebildet wird, dessen Winkel gemessen und ausgewertet werden können. Aus den gewonnenen Daten läßt sich dann die Koordinate des zu messenden Punktes errechnen. Die Winkelmessung erfolgt mit Hilfe von Theodoliten von zwei Standorten aus. Steht nur ein Gerät zur Verfügung, müssen die Messungen nacheinander durchgeführt werden; sind zwei Geräte vorhanden, kann gleichzeitig von beiden Standorten aus gemessen werden. Erfolgen die Messungen nacheinander, können nur solche Punkte erfaßt werden, die durch eine Ecke, Kante oder Fuge so klar definiert sind, daß sie bei der zweiten Messung wieder eindeutig identifiziert werden können. Bei gleichzeitiger Messung mit zwei Geräten können unter Verwendung eines Aufsatzlasers oder eines Laserokulars auch beliebige Punkte auf Flächen markiert und gemessen werden (Abb. 1/ 86kB).

Vorgehensweise: Ähnlich wie bei anderen Meßverfahren muß auch beim Vorwärtseinschnitt über das zu messende Gebäude zunächst ein Koordinatensystem gelegt werden. Sinnvollerweise sollten dabei die Grundachsen des Koordinatensystems parallel zu den Grundachsen des Gebäudes (Hauptfassaden, Symmetrieachsen, Erschließungsachsen) angeordnet werden. Wird gleichzeitig mit dem Einstechverfahren gearbeitet und ist bereits ein System rechtwinkliger Bezugsebenen vorhanden, so ist das Koordinatensystem in das vorhandene Achsensystem einzupassen. Anschließend erfolgt die Auswahl und die Einmessung der Beobachtungsstandorte. Dabei ist die Auswahl so zu treffen, daß jeder zu messende Punkt zweimal beobachtet werden kann. Sind alle Standorte und deren Koordinaten bestimmt, kann mit den Schnittmessungen begonnen werden. Der oder die Theodolite werden über den Standorten zentriert, orientiert und in der Höhe eingemessen. Anschließend werden alle einsehbaren Meßpunkte nacheinander mit dem Zielfernrohr (bei Lasertheodoliten mit dem Laserstrahl) angezielt und die Meßwerte (Horizontal- und Vertikalwinkel) registriert. Die rechnerische Auswertung kann je nach technischer Ausstattung On-Line am Ort des Aufmaßes oder nachträglich im Büro erfolgen.

Bei der Amtsfronfeste in Oschatz (Abb. 2/ 67kB) wurden die Messungen mit Vorwärtseinschnitt auf die unzugänglichen Punkte im Außenbereich beschränkt. Da für die Messungen mit Einstechverfahren bereits ein rechtwinkliges Achsensystem angelegt worden war, wurde das Koordinatensystem mit dem vorhandenen System verknüpft. Sechs Beobachtungsstandorte wurden ausgewählt, von denen vier auf vorhandenen Achsenschnittpunkten lagen, zwei wurden in etwas größerer Entfernung außerhalb des Achsensystems eingemessen (Abb. 3/ 6kB). Die Messungen erfolgten nacheinander von allen sechs Standorten mit einem Skalentheodoliten. Insgesamt wurden 67 Punkte am 25 Meter hohen Rundturm und im Dachbereich der Amtsfronfeste gemessen (Abb. 4/ 101kB). Die rechnerische Auswertung erfolgte im Büro des Verfassers.

3. Die Wirtschaftlichkei von Vorwärtseinschnitten

Die Wirtschaftlichkeit des Vorwärtseinschnittverfahrens hängt im wesentlichen von folgenden drei Faktoren ab: von der Schnelligkeit des Meß-, Registrier- und Auswertevorgangs, von der Menge der Messungen pro Geräteaufstellung und vom Vergleich mit der Wirtschaftlichkeit anderer Meßverfahren.

Die Schnelligkeit ist im wesentlichen eine Frage des technischen Aufwandes. Nach Aufstellung der Meßgeräte ist noch eine größere Zahl von Arbeitsschritten erforderlich, um von der Messung eines Punktes zu seiner Darstellung in der Zeichnung zu gelangen. Fast alle Arbeitsschritte können entweder von Hand oder automatisch ausgeführt werden. Während das Anzielen der Meßpunkte mit dem Zielfernrohr oder dem Laserstrahl auf jeden Fall manuell erfolgen muß, kann das Ablesen der Meßwerte und das Anlegen eines Meßprotokolls von einem elektronischen Registriergerät oder direkt von einem angeschlossenen Computer übernommen werden. Liegt ein schriftliches Meßprotokoll vor, müssen die Daten manuell in einen Rechner eingetippt werden, bei elektronischer Registrierung erfolgt die Datenübertragung über eine Schnittstelle bzw. entfällt ganz. Wird die Berechnung mit einem Taschenrechner ausgeführt, müssen die Ergebnisse eventuell nochmals abgeschrieben werden, bei Benutzung eines Computers lassen sich die Ergebnisse direkt in Listen ausdrucken. Der letzte Arbeitsschritt, die Übertragung der Koordinaten in den Plan, kann wiederum von Hand oder mit Hilfe eines Plotters ausgeführt werden. Die Steigerung der Schnelligkeit, die jeder einzelne Automatisierungsschritt mit sich bringt, ist erheblich. Lassen sich zum Beispiel bei manueller Registrierung von einer Einzelperson pro Arbeitstag kaum mehr als 200 - 300 Messungen (entsprechend 100 - 150 Meßpunkten) durchführen, kann diese Zahl unter günstigen Bedingungen auf 800 - 1000 Messungen pro Arbeitstag bei automatischer Registrierung gesteigert werden. Noch größer ist der Zeitgewinn bei der Übertragung und Auswertung der Daten. Müssen die Meßwerte von Hand in einen Rechner eingetippt werden, benötigt man für die Eingabe und Berechnung von 1000 Meßwerten ca. 5 Stunden. Der gleiche Vorgang bei Datenübertragung über eine Schnittstelle dauert ca. 30 Minuten. Ein ähnlicher Zeitgewinn dürfte bei der Übertragung der Koordinaten in den Plan durch einen Plotter erreicht werden, hier liegen dem Autor allerdings noch keine Erfahrungswerte vor.

Neben der absoluten Schnelligkeit beim Messen und Auswerten spielt auch die Zahl der Messungen pro Geräteaufstellung bei der Ermittlung der Wirtschaftlichkeit eine Rolle. Dies hängt mit dem relativ großen Zeitaufwand bei der Neuaufstellung eines Meßgerätes zusammen. Je nach Gerätekonstellation und Untergrundverhältnissen beträgt dieser zwischen 15 und 30 Minuten. Ein Skalentheodolit ohne Zubehör läßt sich dabei schneller aufstellen und orientieren als ein elektronischer Theodolit mit Höhenindexverbesserung, separat anzuschließender Registrierung und einem eventuell noch zu montierendem Aufsatzlaser. Ist die Zahl der Messungen von einem Standort aus hoch, fällt der Zeitanteil für die Aufstellung des Gerätes weniger ins Gewicht als bei einer geringen Zahl von Messungen. Hierbei wirken sich übersichtliche räumliche Verhältnisse günstig, enge oder unübersichtliche Verhältnisse ungünstig aus. Besonders wirtschaftlich sind Vorwärtseinschnitte daher in der Regel bei Fassaden, Dachaufbauten (Kamine, Dachgaupen, Dachreiter etc.) und bei großen Innenräumen (Kirchen, Markthallen etc.), während sie sich im kleinräumigen Innenbereich nur in Ausnahmefällen (z.B. bei Stuckdecken oder Gewölben) wirtschaftlich einsetzen lassen.

Die Dritte Größe, die bei der Ermittlung der Wirtschaftlichkeit eine Rolle spielt, ist der Vergleich mit anderen Meßverfahren. Sowohl das Einstechverfahren als auch die Polarmessung setzen die Zugänglichkeit der zu messenden Punkte voraus, Durchstoßpunkte lassen sich dagegen nur auf ebenen Flächen bestimmen. Sind keine dieser Bedingungen erfüllt oder läßt sich die Zugänglichkeit nur durch aufwendigere Maßnahmen wie dem Aufstellen von Leitern, Hebebühnen oder Gerüsten erreichen, kann das Vorwärtseinschnittverfahren auch dann noch wirtschaftlich sein, wenn die einzelnen Arbeitsschritte manuell ausgeführt werden oder wenn die Zahl der Messungen pro Geräteaufstellung gering ist. Die Grenze zwischen Wirtschaftlichkeit und Unwirtschaftlichkeit muß hier im Einzelfall durch ein Abwägen der verschiedenen Faktoren gefunden werden.

Bei der Bauaufnahme der Amtsfronfeste in Oschatz standen keine elektronischen Theodolite zur Verfügung, sodaß die gesamte Registrierung und Auswertung manuell erfolgen mußte. Auch war die Zahl der Messungen pro Geräteaufstellung (durchschnittlich 22 Messungen pro Standort) relativ gering. Es waren also weder im Hinblick auf Schnelligkeit noch im Hinblick auf eine möglichst große Zahl von Messungen pro Geräteaufstellung die Bedingungen der Wirtschaftlichkeit erfüllt. Da sich die Messungen jedoch auf die nur schwer zugänglichen Punkte beschränkte und diese mit anderen Verfahren kaum meßbar gewesen wären, blieb im ganzen gesehen die Wirtschaftlichkeit gewährleistet.

4. Die Genauigkei von Vorwärtseinschnitten

Selbstverständlich hängt die Genauigkeit jeder Messung, unabhängig vom Meßverfahren, von der Sorgfalt beim Meßvorgang und von der technischen Genauigkeit der Meßgeräte (Bandmaß, Theodolit etc.) ab. Darüber hinaus können weitere Faktoren die Genauigkeit des Meßergebnisses beeinflussen. Drei Faktoren, die beim Vorwärtseinschnitt eine Rolle spielen, sollen im folgenden erörtert werden: die Meßanordnung, das Berechnungsverfahren und die Meßpunktidentifikation.

Da das Prinzip des Vorwärtseinschnittes auf der Bildung von Dreiecken zwischen zwei Beobachtungsstandorten und den jeweils zu messenden Punkten beruht, sind bei der Meßanordnung einige Grundregeln zu beachten. Theoretisch gilt, daß die Genauigkeit des Ergebnisses umso größer ist, je stabiler das Dreieck zwischen Standorten und Meßpunkt. Die "Stabilität" ist dann am größten, wenn die von den zwei Beobachtungsstandorten ausgehenden "Meßstrahlen" am zu messenden Punkt einen rechten Winkel bilden. Idealerweise sollte deshalb die Entfernung zwischen den beiden Beobachtungsstandorten das ein- bis anderthalbfache der Entfernung zwischen den Beobachtungsstandorten und den Meßpunkten betragen. In der Praxis sind solche Anordnungen jedoch häufig nicht möglich. Wird bei der Messung sorgfältig gearbeitet, kann von den Grundregeln auch weitgehend abgewichen werden, und es können auch mit relativ spitzen oder stumpfen Dreiecken noch gute Ergebnisse erzielt werden. Allerdings ist dann zu beachten, daß geringfügige Winkelfehler überproportional große Fehler bei der Berechnung der Koordinaten zur Folge haben.

Im ersten Moment läßt sich nicht vermuten, daß die Genauigkeit des Ergebnisses auch vom Berechnungsverfahren abhängt. Gemäß der allgemeinen Vorstellung sind nach Abschluß der Messungen alle Faktoren bestimmt, die zur Genauigkeit oder Ungenauigkeit des Ergebnisses beitragen können. Liegen die Meßwerte erst einmal vor, sollte sich daraus linear und mathematisch eindeutig das Ergebnis ableiten lassen. Dies wäre auch der Fall, wenn alle Messungen mit 100prozentiger Genauigkeit durchgeführt werden könnten und wenn sich die von den zwei Beobachtungsstandorten ausgehenden "Meßstrahlen" (eigentlich "Geraden") tatsächlich (im mathematischen Sinne) im zu messenden Punkt träfen. In der Praxis ist es jedoch so, daß die zwei Meßgeraden in weit über 99 % der Fälle windschief aneinander vorbeilaufen und sich nicht in einem Punkt schneiden. Dabei mag der Abstand der windschiefen Geraden bei guten Messungen nur wenige Hundertstel Millimeter betragen, ein mathematisch eindeutig definierter Schnittpunkt ergibt sich jedoch nicht. Das führt zu der Frage, wo nun die Lage des zu messenden Punktes anzunehmen sei. Tatsächlich gehen verschiedene Berechnungsverfahren von unterschiedlichen Annahmen aus und kommen so zu unterschiedlichen Ergebnissen! In vielen Standardprogrammen wird zunächst nur aus den Horizontalwinkeln ein Grundrißdreieck (X-Koordinate und Y-Koordinate) berechnet, anschließend wird aus jedem der zwei Vertikalwinkel die Höhe einzeln berechnet und ein Mittelwert gebildet. Dies führt in der überwiegenden Zahl der Fälle zu einem guten Ergebnis. Der Nachteil dieses Verfahrens besteht jedoch darin, daß bei ungünstigen räumlichen Verhältnissen, bei denen das Grundrißdreieck zwischen den Gerätestandorten und den zu messenden Punkten instabil, d.h. sehr spitz oder sehr stumpf wird, ungenaue Ergebnisse erzielt werden. Davon betroffen sind vor allem Steilvisuren bei der Ausmessung von Kuppeln, Gewölben oder Decken sowie Fassadenmessungen in schmalen Gassen oder anderweitig beengten Verhältnissen. Um das Ausmaß der in solchen Fällen auftretenden Ungenauigkeit zu überprüfen, haben wir einmal bei der Messung eines Kreuzganggewölbes probeweise 10 Punkte über Grundrißdreieck berechnet und dabei einen durchschnittlichen Rechenfehler von 50,3 cm (!) ermittelt. Abhilfe läßt sich dadurch schaffen, daß man auf die Dreiecksbildung im Grundriß verzichtet und stattdessen den Punkt der größten Annäherung der zwei windschiefen Meßgeraden ermittelt. Bei dieser Art der Berechnung ist die Genauigkeit des Rechenergebnisses in allen Lagen und Richtungen gleichermaßen genau. Zudem hat dieses Verfahren den Vorteil, daß man den Abstand der zwei windschiefen Geraden im Punkt der größten Annäherung mitberechnen und so eine Aussage über die Genauigkeit der Messung machen kann. In der Praxis hat sich das Mitausdrucken dieser Abstandswerte als sehr vorteilhaft erwiesen, da Meß- oder Übertragungsfehler auf einen Blick zu erkennen sind. Auch bekommt man über die Durchschnittswerte einen Hinweis auf die Genauigkeit der Standorteinmessungen.

Abbildung 5 (19kB) zeigt die Rechenergebnisse der ersten 50 Meßpunkte der Amtsfronfeste in Oschatz. In der mit "Streuung" überschriebenen rechten Spalte sind die Abstandswerte zwischen den windschiefen Meßgeraden im Punkt der größten Annäherung angegeben. Auf den ersten Blick fallen zwei Werte mit mehr als 10 cm auf (gekennzeichnet mit Ziffer "1"), bei denen es sich um offensichtliche Fehlmessungen handelt. Ziffer "2" kennzeichnet dagegen das Ergebnis einer besonders exakten Messung (Abstandswert 0,0 cm). Die übrigen Werte schwanken zwischen 0 cm und 6 cm (Durchschnitt 1,9 cm). Im allgemeinen kann man Abstandswerte unter 1 cm als gut bezeichnen, Werte von mehreren Zentimetern sind dagegen weniger zufriedenstellend.

Forscht man nach den Ursachen dieser Ungenauigkeiten, stößt man auf das Problem der Meßpunktidentifikation. Wie sich in Abbildung 2 erkennen läßt, ist der 25 Meter hohe Rundturm aus Bruchsteinen gemauert und weist auch an den Fenstergewänden keine Werksteinbearbeitung auf. Zahlreiche Ecken und Scheitelpunkte waren daher nur vage definiert und konnten bei der zweiten Messung nicht mehr eindeutig identifiziert werden. Bei den in Abbildung 5 gekennzeichneten Fehlmessungen wurden bei der zweiten Messung die Steine verwechselt. Solche Fehler lassen sich nur durch gleichzeitige Messung von zwei Standorten und durch eine Laser-Markierung der Meßpunkte ausschließen. Um wieviel sich die Genauigkeit durch eine Laser-Markierung noch steigern läßt, soll an einem Vergleichsbeispiel demonstriert werden. Abbildung 6 (19 kB) zeigt eine Meßreihe von 50 Punkten an einem anderen Objekt. Alle Punkte wurden durch eine Laserstrahl markiert, die Registrierung der Meßwerte erfolgte automatisch. Das Ergebnis zeigt maximale Abstandswerte von 0,4 cm, der durchschnittliche Wert beträgt 0,1 cm (im Vergleich zu 1,9 cm bei der Amtsfronfeste in Oschatz). Hiermit werden Meßgenauigkeiten erreicht, die auch durch andere Meßverfahren kaum noch zu verbessern sind und die die üblichen Anforderungen an die Genauigkeit von Bauaufnahmen deutlich überschreiten.

5. Zusammenfassung

Sowohl im Hinblick auf seine Wirtschaftlichkeit als auch im Hinblick auf seine Genauigkeit stellt das Vorwärtseinschnittverfahren eine interessante Alternative zu anderen Meßverfahren dar. Besonders geeignet ist der Vorwärtseinschnitt zur Messung von Fassaden, Dächern und großen Innenräumen sowie zur Messung von Decken, Kuppeln und Gewölben. Durch den Einsatz von elektronischen Registrier- und Auswertegeräten läßt die Schnelligkeit und durch den Einsatz von Aufsatzlasern oder Laserokularen die Genauigkeit deutlich steigern.